Wenn es um die Reduktion von Risiken in den Entwicklungsprozessen von Software geht, war Agile in den vergangenen Jahren sicherlich die vorherrschende Methode. Kaum ein Unternehmen möchte ohne diesen Ansatz auskommen, der die Transparenz und Flexibilität erhöhen und dazu beitragen soll, neu entwickelte Systeme schneller in den Markt einzuführen. Doch allzu häufig wird dieser Ansatz falsch verstanden und daher auch falsch angewendet. Einige Kritiker sagen sogar bereits den Tod der agilen Softwareentwicklung voraus.
Warum funktioniert die agile Transformation manchmal nicht?
Die agile oder iterativ-inkrementelle Herangehensweise an die Softwareentwicklung bietet klare Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die Entwicklung in kleinen Schritten erlaubt es, dem Kunden frühzeitig einen aktuellen Stand zu präsentieren. Ein Einsatz im Unternehmen kann damit viel früher erfolgen und der Softwareentwickler erhält frühzeitig wertvolles Feedback, das in den weiteren Entwicklungsprozess einfließt und diesen stärkt.
Doch das funktioniert in der Praxis leider nicht immer. So kann zum Beispiel nicht jedes Team mit dem an sich eigentlich wertvollen Feedback richtig umgehen. Tatsächlich ist zu beobachten, dass Kritik des Kunden in einem frühen Stadium der Entwicklung sogar dazu führen kann, dass die Weiterentwicklung sofort abgebrochen wird. Einige Entscheider verstehen die Kritik des Kunden falsch und nehmen an, dass das Team aus Softwareentwicklern der Aufgabe nicht gewachsen sei. Vor der Einführung der agilen Methode war das nicht zu befürchten. Der Entwicklungsprozess hin zu einer ersten verwertbaren Version war zwar länger, der Abschluss des Projekts egal mit welchem Ergebnis war aber immerhin sichergestellt.
Agilität reibt sich an den klassischen Organisationsstrukturen
Zu den Wesenselementen der agilen Softwareentwicklung gehört es, dass das Team insgesamt für den Erfolg oder das Scheitern des Projekts verantwortlich ist. Ein verantwortlicher Projektmanager ist also gar nicht mehr vorgesehen. In klassischen Organisationen sind solche Projektmanager oder Projektleiter jedoch erforderlich, denen Erfolge und Misserfolge zugewiesen werden können. Davon hängt es dann auch ab, in welcher Richtung sie sich auf der Karriereleiter bewegen werden. Diese Organisationsstrukturen sind mit dem agilen Ansatz tatsächlich kaum sinnvoll vereinbar und sollten daher besser aufgegeben oder angepasst werden. Ansonsten erweisen sie sich als ein echtes Hindernis für den Erfolg der agilen Methode. Sehen Projektmanager in Agile ein Hindernis für ihre weitere Karriere, braucht man sich nicht wundern, wenn die Methode von vornherein sabotiert wird.
Sollte die agile Methode aufgegeben werden?
Einige Kritiker halten sich mit den Stolpersteinen für Agile nicht auf und stellen gleich die Methode selbst infrage. Immer wieder ist zu hören, dass Agile ein Irrweg sei und am besten aus den Köpfen der Softwareentwickler wieder entfernt werden sollte.
Agile werden eine ganze Reihe von Schwächen attestiert, über die man nicht so einfach hinwegsehen könne. Viele der vermeintlichen Stärken seien in Wahrheit empfindliche Nachteile. So wird immer wieder gelobt, dass die iterative Entwicklung – also die Programmierung und Fertigstellung in kleinen Schritten – viele Zwischenschritte hervorbringt, die sich sofort testen lassen. Die Kritiker gehen jedoch davon aus, dass die meisten dieser kleinteiligen Tests überhaupt nicht erforderlich wären und nur Zeit kosten würden. Die vielen kleinen Tests machen in Wahrheit sogar noch viel mehr Arbeit, die man vor der Einführung der Methode gar nicht hatte. Häufig würden sich die Kunden für die Ergebnisse der Tests auch nicht interessieren und stattdessen warten, bis die Software endlich mit allen Funktionen fertiggestellt ist. Erst dann würden Evaluierungen erfolgen. Mehr Arbeit statt weniger Arbeit kann nicht der Sinn und Zweck von Agile sein.
Die Arbeit im Team und die Verteilung der Verantwortlichkeit auf viele Schultern würde die Kosten nach oben treiben. Es gäbe plötzlich viel mehr beteiligte Personen, die ein entsprechendes Honorar für ihre Leistung erwarten würden und das Unternehmen müsste immer mehr Arbeitsstunden vergüten. Dadurch steigen die Kosten. Auch die Einbindung der Kunden in den Entwicklungsprozess wird kritisch gesehen. Häufig wünschen die Kunden gar nicht, über aktuelle Entwicklungsschritte informiert zu werden. Denn die Einbindung und das ständige Feedback bedeuten auch Arbeit und Belastungen für den Kunden. Wird Agile aufgebeben, fällt alles das wieder weg und einige Kunden zeigen sich sogar zufriedener.
Zudem wiegt das ständige Testen kleiner Entwicklungsschritte die Programmierer in falscher Sicherheit. Getestet würden häufig nur Szenarien, die später in der Praxis gar nicht auftreten. Die echten und schwerwiegenden Fehler zeigen sich immer erst später im produktiven Einsatz und können mit der agilen Methode gar nicht vorweggenommen werden. Damit verfehlt Agile sein eigentliches Ziel und der Ansatz wird eigentlich überflüssig.
Wird Agile vielleicht nur falsch verstanden?
Zu hören sind auch Kritiken, dass Agile an und für sich zwar eine wertvolle Methode sei, der Ansatz mit den Jahren jedoch pervertiert worden sei. Die Industrie würde Agile falsch verstehen und daher auch falsch anwenden. Eine Unsitte sei es zum Beispiel, dass Unternehmensberater ihren Kunden umfangreiche Regelwerke für die Softwareentwicklung verkaufen würden. Die Unternehmen wären dann ausgelastet mit Schulungen für ihre Mitarbeiter und würden sich nur noch darauf konzentrieren, die häufig doch recht abstrakten Regeln einzuhalten, statt den Entwicklungsprozess auf direktem Wege zu einem Erfolg zu führen. Grundsätzlich sei es daher falsch, Berater zu bezahlen, um Agile im eigenen Unternehmen einführen zu können. Agile dürfe nie zu einem Regelwerk verkommen. Es sei erforderlich, den Ansatz für jedes Projekt wieder neu zu interpretieren und sich seine Freiheiten in der Entwicklung nicht nehmen zu lassen.
Agile als Trend, der bald vorüber sein wird
Einige Kritiker sehen das Phänomen Agile nüchterner. Statt um eine überlegene Methode für die Softwareentwicklung handle es sich lediglich um einen der vielen Trends in der Programmierung von Software, die kommen und gehen. Agile sei zwar nie schlecht gewesen und habe in der Industrie einige Vorteile gebracht, die Zeit der Methode sei nun aber abgelaufen und der Markt hätte sich weiterentwickelt. Zu erwarten sei also, dass der Agile-Hype nun abflacht und durch einen neuen Hype ersetzt wird. Das sei eine völlig normale Entwicklung. Letztendlich geht es vor allem für die Berater natürlich darum, mit Vorträgen, Schulungen und Seminaren Geld zu verdienen. Irgendwann ist der Markt aber gesättigt und die Berater müssen sich etwas Neues ausdenken. Das alleine wird vermutlich dazu führen, dass Agile bald verschwinden wird.
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